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KORREKTUR: Regierungsziel ‘Armutshalbierung’: 15 Prozent mehr Menschen armutsgefährdet als 2019

KORREKTUR: Regierungsziel ‘Armutshalbierung’: 15 Prozent mehr Menschen armutsgefährdet als 2019

Korrigierte Stellen sind im Text eingefärbt

Die Regierung hat es sich zum Ziel gesetzt, den Anteil von armutsgefährdeten Menschen innerhalb der Legislaturperiode zu halbieren. Anlässlich der heute veröffentlichten Zahlen der Gemeinschaftsstatistiken zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU - SILC) der Eurostat, hat das Momentum Institut analysiert, wie nahe die Regierung an das selbstgesteckte Ziel gekommen ist. Die Analyse zeigt: 2023 waren 15 Prozent mehr Menschen in Österreich armutsgefährdet als zum Antritt der Regierung 2019.

Etwa 177.000 Menschen sind nun im Vergleich zu 2019 zusätzlich armutsgefährdet, insgesamt also 1,3 Millionen Menschen, trotz Sozialleistungen. Armuts- oder ausgrenzungsgefährdet sind insgesamt 1,6 Millionen Menschen im Land – sprich mit 17,7 Prozent sind beinahe 2 von 10 Personen betroffen.

“Als die Regierung im Jahr 2019 gewählt wurde, lag der Anteil der armutsgefährdeten Menschen in Österreich bei 13,3 Prozent. Ziel der Regierung war es, diesen Anteil zu halbieren. Mit Ende der Legislaturperiode müssten wir also bei einer Armutsgefährdungsquote von etwa 6,7 Prozent stehen, davon sind wir aber meilenweit entfernt. Statt um die Hälfte zu sinken, ist die Quote um 1,6 Prozentpunkte gestiegen”, erläutert Sophie Achleitner, Ökonomin am Momentum Institut.

Verschärfte Lage durch Teuerungskrise

Waren 2021 etwa 160.000 Menschen bzw. 1,8 Prozent der Bevölkerung erheblich materiell und sozial depriviert, sind es im Jahr 2023 bereits 336.000 Menschen bzw. 3,7 Prozent der Bevölkerung. Der Anteil der erheblich materiell und sozial deprivierten Menschen hat sich allein zum Vorjahr um mehr als die Hälfte erhöht (+61 Prozent). Als erheblich materiell und sozial depriviert gilt, wer mindestens 7 von 13 Merkmalen erfüllt.

Mehr als 930.000 Haushalte in Österreich können keine unerwarteten Ausgaben von 1.370 Euro tätigen. Wird die Waschmaschine und der Kühlschrank kaputt, können sie diese nicht ersetzen. Auch einmal pro Jahr auf Urlaub zu fahren ist für rund 810.000 Haushalte nicht mehr möglich.

Sozialleistungen immer noch nicht armutsfest

“Zwar hebt der Sozialstaat jährlich 860.000 Haushalte über die Armutsschwelle, dennoch schützt er längst nicht alle die er eigentlich absichern sollte. Denn obwohl sie Sozialleistungen beziehen, sind 1,3 Millionen Menschen armutsgefährdet”, so Achleitner weiter. Pensionen, die einen Teil der Sozialleistungen ausmachen, sind in der Auswertung nicht enthalten. Die Zahl ist daher als absolute Untergrenze anzusehen.

Arbeitslosengeld, Mindestsicherung oder auch die Ausgleichszulage (Mindestpension) sind so niedrig bemessen, dass sie unter der Armutsgefährdungsschwelle liegen. Einer arbeitslosen Person fehlen für das Jahr 2023 418 Euro bis zur Armutsgefährdungsschwelle, Mindestpensionist:innen fehlen 277 Euro und Mindestsicherungs-Bezieher:innen sogar 518 Euro monatlich. Da die berechnete Armutsgrenze für das Jahr 2023 auf Einkommen von 2022 zurückgreift, ist dieser Wert sogar unterschätzt, weil Löhne im Normalfall jährlich an die Teuerung durch KV-Verhandlungen angepasst werden.

Vulnerable Gruppen besonders betroffen

Besonders schwierig ist die Lage für vulnerable Gruppen – darunter Arbeitslose, Alleinerziehende, Mieter:innen, Menschen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft, Mehrkindhaushalte sowie Kinder und Pensionist:innen. Die Armutsgefährdung hat auch seit Regierungsantritt für alle diese Gruppen wieder zugenommen. Am stärksten hat sich das Armutsgefährdungsrisiko für Mehrkindhaushalte, Alleinerzieher:innen und Erwerbsarbeitslose erhöht. Das Armutsgefährdungsrisiko für Mehrkindhaushalte, also Haushalte, in denen mindestens 3 Kinder leben, ist um 11 Prozentpunkte angestiegen. Damit ist rund ein Drittel der Mehrkindhaushalte armutsgefährdet.

Auch bei den Alleinerzieher:innen, die zum Großteil Frauen sind, sind vier von 10 Haushalte armutsgefährdet. Am höchsten ist die Armutsgefährdung weiterhin bei Erwerbsarbeitslosen: Einer von zwei Arbeitslosen (mind. 6 Monate) ist auch nach Sozialleistungen noch armutsgefährdet.

„Die Bundesregierung hat geschlafen. Die Armutsgefährdung hat sie nicht halbiert, sondern sie ist weiter gestiegen. Anstatt gezielt die Ärmsten vor der Rekordteuerung ausreichend zu schützen, hat die Regierung zur Inflationsbekämpfung großzügig Steuergeld per Gießkanne auch an Gutbetuchte verteilt”, so Achleitner abschließend.

Das Momentum Institut empfiehlt die Sozialleistungen über die Armutsgefährdungsschwelle zu heben, das Arbeitslosengeld sollte außerdem ebenfalls – wie alle anderen Sozialleistungen auch – mit der Teuerung mitwachsen. Um Kinderarmut in Österreich endlich abzuschaffen, braucht es eine Kindergrundsicherung. Außerdem ist ein flächendeckender und rascher Ausbau der kostenlosen Kinderbetreuung mit ganztägigem Angebot wichtig, um allen Kindern – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft – frühkindliche Bildung und Eltern eine Teilnahme am Erwerbsleben zu ermöglichen.