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Arbeitslosengeld: Nettoersatzrate von ‘neuen’ Arbeitslosen auf Rekord-Tief

Arbeitslosengeld: Nettoersatzrate von ‘neuen’ Arbeitslosen auf Rekord-Tief

Arbeitslos gemeldete Personen beziehen als Arbeitslosengeld eine Nettoersatzrate in der Höhe von 55 Prozent ihrer monatlichen Beitragsgrundlagen. Die Gehälter, die zur Berechnung der Grundlage herangezogen werden, liegen aber im Regelfall um mindestens 12 Monate zurück. In Zeiten einer außerordentlich hohen Teuerung ist das für unlängst arbeitslos gewordene Personen problematisch. Denn in ihrem Berechnungszeitraum war die hohe Inflation zwar schon voll im Gange, die herangezogenen Löhne wurden aber noch nicht an die Teuerung angepasst. Das bedeutet, dieser Mechanismus drückt ihr Arbeitslosengeld im Verhältnis zum tatsächlichen letzten Gehalt (0-12 Monate vor Arbeitslosigkeit) auf eine Nettoersatzrate von durchschnittlich 51 Prozent, wie das Momentum Institut in einer Berechnung zeigt.

Arbeitslosengeld deutlich unter 55 Prozent vom Nettogehalt. Relativer Anteil des Arbeitslosengeldes am Nettogehalt in Beschäftigung.

“Wer seit 1. März 2024 arbeitslos gemeldet ist, dessen Berechnungsgrundlage für die Nettoersatzrate liegt fast zur Gänze im Jahr 2022 – also noch bevor die Löhne überhaupt an die massive Inflation angepasst wurden”, erläutert Jakob Sturn, Ökonom am Momentum Institut. Aus diesem Grund wird die Bemessungsgrundlage, wenn sie länger als zwei Kalenderjahre zurückliegt, heuer rückwirkend um 5,8 Prozent aufgewertet. Nun betrug die Inflation aber 2022 8,6 Prozent und 2023 7,8 Prozent – die Teuerung und die daraus resultierenden Lohnsteigerungen lagen also beide Jahre weit über dem Anpassungswert von 5,8 Prozent. “Personen, die erst unlängst erwerbsarbeitslos wurden, müssen jetzt also die massiv gestiegenen Preise mit einem Arbeitslosengeld begleichen, das sich auf ihr Gehalt aus einem Zeitraum bezieht, in dem die Inflation zwar schon mit voller Härte zugeschlagen hat, aber die Löhne noch gar nicht an die massive Teuerung angepasst waren. Für sie bedeutet das einen starken Kaufkraftverlust”, so Sturn weiter.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung: In Fall A wird eine Person im März 2021 arbeitslos. Für sie bilden die Monate März 2019 bis Februar 2020 die Berechnungsgrundlage für das Arbeitslosengeld. In diesem Zeitraum hat sie durchschnittlich 2.200 Euro netto bekommen. Im Monat vor der Arbeitslosigkeit hat sie aufgrund der Inflationsanpassung 2.265 Euro bekommen. Als Arbeitslosengeld bekommt sie 53,4 Prozent ihres letzten Gehalts.

Wer im März 2024 arbeitslos wurde, erhält relativ weniger Arbeitslosengeld. Fall A: Person wird im März 2021 arbeitslos und bekommt 53,4 Prozent ihres letzten Gehalts als Arbeitslosengeld. Fall B: Dieselbe Person wird im März 2024 arbeitslos und bekommt 50,7 Prozent ihres letzten Gehalts.

In Fall B wird dieselbe Person erst im März 2024 arbeitslos. Die Berechnungsgrundlage in diesem Fall ist ihr früheres Gehalt aus den Monaten März 2022 bis Februar 2023. In diesem Zeitraum hat sie mittlerweile ein etwas höheres Gehalt von durchschnittlich 2.484 Euro netto bekommen, da inzwischen Gehaltssprünge durch die jährlichen KV-Anpassungen erfolgten. In den Monaten vor der Arbeitslosigkeit steigt ihr Gehalt aufgrund der Inflationsanpassung noch einmal auf 2.695 Euro. Als Arbeitslosengeld bekommt sie aber lediglich 50,7 Prozent ihres letzten Gehalts. Würde diese Person wieder eine Nettoersatzrate von 53,4 Prozent erhalten – so wie in Fall A – dann wäre ihr Arbeitslosengeld mit 1.439 Euro um 73 Euro monatlich höher. Einfach aufgrund des Zeitraums, in dem sie arbeitslos wurde, bekommt die Person in Fall B also in Relation weniger Arbeitslosengeld.

Mittlerweise ist jede:r dritte Arbeitslose armutsgefährdet, bei Langzeitarbeitslosen sogar jede:r zweite. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld liegt mit 1.091 Euro rund 300 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle (1-Personen-Haushalt). “Das Arbeitslosengeld verfehlt sein eigentliches Ziel für Menschen in prekären Lagen: die Existenzsicherung”, so Sturn abschließend.

Das Momentum Institut empfiehlt die Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe auf 70 Prozent anzuheben. Außerdem sollte das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe jährlich an die Inflation angepasst werden, so wie das bei anderen Sozialleistungen auch seit 2023 der Fall ist. Darüber hinaus wäre es sinnvoll die in der Vergangenheit liegende Bemessungsgrundlage gänzlich an die Inflation anzupassen.